Sonja Rupp, Tina Jauch und Matthias Unflat sind seit Ende 2019 neue Führungskräfte im VAUDE Marketing. Zusammen mit Antje von Dewitz, Manfred Meindl und Ralf Geiger leiten sie die Abteilung. Bei einer Unternehmens-Quote von 43 % Frauen in Führungspositionen, toppt das Marketing die Quote mit 50 %.
»Um ein Abbild der Gesellschaft auch bei den Entscheidungsträgern zu haben. Es kann kein gutes Ergebnis herauskommen, wenn nur Führungskräfte mit dem gleichen Hintergrund, dem gleichen Geschlecht, dem gleichen Alter und der gleichen Überzeugung die Entscheidungen treffen. Mit einer hohen Diversität kann man der Komplexität von Entscheidungen gerecht werden.«
»Im Marketing sind wir die ersten in der Größenordnung. Wir sind nun drei Frauen und drei Männer in den Führungspositionen. Das ist für mich auch ein gutes Spiegelbild der Gesellschaft. Unsere Arbeit besteht darin, Inhalte an die Gesellschaft zu kommunizieren, die grob zur Hälfte aus Männern und zur Hälfte aus Frauen besteht. Warum sollte dann plötzlich unsere Kommunikation nur von einem Geschlecht gesteuert werden? Das geht in die Richtung von Antjes angesprochener Diversität.«
»Ich bin seit fünf Jahren bei VAUDE und hatte jetzt das Bedürfnis, mich weiter zu entwickeln. Gereizt hat mich neben operativen Aufgaben nun auch mehr strategische Verantwortung zu übernehmen. Und auch die Lust, mehr zu bewegen.«
»Oft ist es leider nicht so, dass sich Frauen den Schritt zu mehr Verantwortung zutrauen.
Als ich das Unternehmen von meinem Vater übernommen hatte, gab es noch nicht so viele Führungskräfte. Wir wollten die Stellen hauptsächlich intern besetzen, aber von vielen Kolleginnen, die ich in der Rolle definitiv gesehen hätte, habe ich oft die Rückmeldung bekommen: „Ich möchte weiter in Teilzeit arbeiten und Zeit für meine Familie und Hobbies haben“, oder auch: „Die Verantwortung ist mir zu hoch und der Umgang auf höherer Ebene zu rau – da möchte ich ungern dazwischengeraten.
Nach dieser Erfahrung haben wir an den Themen gearbeitet. Früher war hier wirklich bis spät abends das Licht an. Nun gibt es keine Besprechungen nach 17 Uhr. Es wird viel Wert auf eine ausgeglichene Work-Life-Balance gelegt – mit flexiblen Arbeitszeiten, einer Homeoffice Regelung, Sportangeboten in der Mittagspause oder unserer Bio-Kantine. Außerdem erhalten unsere Mitarbeiter und Führungskräfte Trainings zur Selbstwirksamkeit und Kommunikation. Wir haben sehr viel bewirkt, so dass wir nun eine stolze Quote von 43 % Frauen in Führungspositionen erreicht haben.«
»Es ist definitiv leichter den Schritt zu wagen, wenn die Rahmenbedingungen passen. Hier wird man unterstützt und es gibt viele positive Beispiele – das motiviert.«
»Ich bin geteilter Ansicht. Zum einen haben wir große gesellschaftliche Themen wie Altersarmut bei Frauen oder den Gendergap in der Bezahlung. Denen könnten wir mit einer Frauenquote entgegenwirken. Vor allem sehe ich, dass Freiwilligkeit allein oft nicht ausreicht. Das ist wie beim Thema Nachhaltigkeit.
Andererseits weiß ich um den Fachkräftemangel und den demografischen Wandel. Gut wäre es nach dem Prinzip „comply or explain“ vorzugehen. Entweder man erfüllt die Ziele oder man muss erklären, warum nicht. Zum Beispiel habe ich hier im Marketing zwei hervorragende männliche Abteilungsleiter – die kann ich jetzt natürlich nicht nur wegen einer Quote rausschmeißen. Beim Prinzip „comply or explain“ könnte ich erklären, warum es in diesem Falle nicht funktioniert. So ist zumindest ein Bewusstsein und ein intensives Auseinandersetzen gefordert.«
»Ich spreche mich explizit für eine Frauenquote aus. Wenn ich mir die Bewerbungen der letzten Jahre ansehe, waren die von weiblichen Bewerbern meist besser. Aber wenn es dann um Gehaltsvorstellungen und ein klares Ziel geht – da haben sich die faktisch betrachtet “schlechteren“ Männer besser präsentiert als die Frauen. Mit einer Quote sind Unternehmen dazu verpflichtet, genauer hinzusehen.«
»Es kommt auch immer darauf an, auf welches Unternehmen man schaut. Rein bei VAUDE habe ich nicht den Eindruck, wir bräuchten eine gesetzliche Regelung. Aber bei anderen Unternehmen sind Frauen nun mal deutlich unterrepräsentiert.«
»Wenn wir akzeptieren, dass Frauen weniger in Führungspositionen sind, werden wir auch akzeptieren müssen, dass Frauen weiterhin weniger verdienen als Männer. Und damit akzeptieren wir, dass die Rollenverteilung zwischen Mann und Frau genauso bleibt wie sie ist. Klar entscheidet man sich mit Kindern dafür, dass der Mann als Mehrverdiener zur Arbeit geht und die Frau zu Hause bleibt. Damit schaffen wir keine gleichwertige Aufgabenverteilung in der Familie. Es gibt somit viele Gründe, die für eine Frauenquote sprechen.«
»Ich glaube das ist eher typabhängig. Es gibt Männer, die feminin führen und Frauen, die maskulin führen. Antje, du bist meine erste weibliche Führungskraft und ich sehe schon einen deutlichen Unterschied zu meinen früheren Chefs. Du bist deutlich empathischer und Probleme können angesprochen werden. Das kannte ich vor VAUDE nicht. Das ist sicher etwas, das von dir ins Unternehmen getragen wurde.«
»Das war aber nicht immer so. Anfangs dachte ich, ich müsse eine harte Linie fahren. Dabei hatte ich gerade meine Dissertation über ein positives Menschenbild und was hierfür wichtig ist geschrieben. Mir wurde von meinen Kolleginnen und Kollegen ziemlich schnell die Meinung gesagt und ich habe angefangen, mich in Frage zu stellen und mir ist aufgefallen: Eigentlich möchte ich etwas ganz anderes.«
Antje: »Mir ist es wichtig, dass Führungskräfte den Mitarbeitern Raum geben. Die Führungskraft sollte ein Rahmengeber sein und nicht der, der an vorderster Front das Schwert schwingt.«
»Ich sehe meine Aufgabe darin, die Experten in meinem Team zusammen zu bringen und eine Plattform für einen Austausch zu bieten. Dass ich eher das Sprachrohr ins Team und aus dem Team heraus bin.«
»Sich die Zeit nehmen, in sich hineinzugucken. Jeder Mensch hat eine eigene Persönlichkeit. Die Rollen sind übertragbar, aber die Ausrichtung nicht. Ich bin froh, dass ich am Anfang darauf gestoßen wurde, auch wenn es schmerzhaft war. Ich durfte mein Unternehmen sehr stark selbst bestimmen und ich möchte auch meinen Führungskräften den Raum geben, so zu sein, wie sie sind. Nur selbstsichere Führungskräfte können auch authentisch ihr Team führen. Mein Rat: Findet euch selbst.«
*Das Interview führte eine Kollegin aus dem Marketing, Anna Rechtern.